Dolce Vita unterm Kugelfang
13.07.2019

Preußens Gloria statt Pavarotti, Korn statt Chianti: Mit Marco Azzarone (32, Esbeck), Thomas Borrelli (39, Stadtmitte) und Fabio D’Ambrosio (42, Hörste) regieren schon drei „Italiener“ heimische Schützenvereine. Dabei ist, was die Schützenfest-Saison in Lippstadt angeht, gerade mal Halbzeit. Mamma mia – Dolce Vita unterm Kugelfang. Was ist da los?

Von Hannah Wapelhorst

Lippstadt – „Uccello“ ist das italienische Wort für Vogel und mit diesem mussten die drei Lippstädter Schützen wohl ihren Verwandten im Süden erst einmal erklären, was genau sie da abgeschossen haben, was es damit auf sich hat und warum das Federtier etwa aus Holz war und in einem Kasten hing.

Marco Azzarone, Esbecker König, ist der erste in der Reihe. Er holte den Aar in Esbeck aus dem Fang. Azzarone hat seiner Familie schon Bilder vom Fest zukommen lassen. „Die schmunzeln darüber. Außerdem kennen die mich ja schon als Offizier und wissen, wie verrückt ich bin.“ Stolz darf er sich den ersten italienischen König von Esbeck nennen – und auch im Hofstaat gibt’s familiäre Unterstützung: „Ich habe es geschafft, meinen Bruder zu überreden, in den Verein einzutreten und in den Hofstaat zu kommen“, freut sich Azzarone.

Trotz italienischer Staatsbürgerschaft werden bei Azzarone zur Weltmeisterschaft stets zwei Fahnen gehisst: „Den Deutschen drücke ich natürlich auch die Daumen.“ 

Thomas Borrelli regiert ganz frisch die Schützen in der Stadtmitte. Seine italienische Verwandtschaft sei aber vorwiegend in Lippstadt zuhause. Nach dem Siegestreffer am vergangenen Wochenende erreichten ihn tausende Nachrichten. Beglückwünschen wollten schließlich alle – ob bei Bier, Wein, Mantaplatte oder Bolognese. Und jetzt Schluss mit den Klischees. Schließlich ist der Lippstädter Schützenverein de facto schon immer verbunden mit Italien – und zwar in den Farben: grün, weiß und rot (siehe Königsorden). Am Schützenjahr ändern würden Borrellis italienischen Wurzeln aber nichts – denn das Traditionsfest sei dann doch typisch deutsch und so solle es auch bleiben.

Sehr verbunden mit seiner Familie in Italien ist Fabio D’Ambrosio, aktueller König in Hörste. Der gebürtige Lippstädter musste weit ausholen, als er den Tanten in Italien erklärte, warum er König seines Dorfes ist, aber dafür auch noch bezahlen muss. „Schützenkönig ist ein Fremdwort dort. Ich habe meiner Familie Schützenfest mit einer Art Heimatfest erklärt und Bilder rübergeschickt“, sagt D‘Ambrosio. Daraufhin folgten Komplimente – für Königin Anna natürlich. Auch alte Jugendfreunde seien zum Schützenfest gekommen. Zusammen seien sie als Kinder auf Schützenfeste gegangen, was genau da vor sich ging habe ihnen aber keiner erklären können. Jetzt ist D‘Ambrosio Schütze mit Leib und Seele.

Erst wenige Tage vor dem Fest war er in Italien – den Rückflug hatte er passend zum Fahnenaufhängen geplant. Doch als dieser sich verspätete, schoss der Schützenpuls in die Höhe. Da sei ihm noch einmal bewusst geworden: „Irgendwie ist deine Heimat ja schon Hörste.“ Pünktlich schaffte er es zwar nicht, für den Siegestreffer reichte es aber. Und auch er wird durch einen weiteren Landsmann im Hofstaat unterstützt: „Wir sind die beiden Italiener im Dorf“, sagt er lachend. Er ist sich sicher, dass das Motto Italien das ganze Regentenjahr, in welcher Weise auch immer, eine Rolle spielen wird. Vielleicht erst recht, wenn sich im Sommer 2020 beide Länder bei der EM gegenüber stehen.

Abgesprochen haben sich die Drei nicht – gestaunt haben sie also nicht schlecht, als sie von den jeweils anderen gehört haben. Und wer weiß: Das Schützenjahr ist ja längst nicht um.

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